Samstag, 15. Dezember 2012

Luciah - Helden





Der Nikolaus in einer Geschichte - Helden





Meine Luciah ist eine Erzählerin, ohne dass der Leser allzusehr mit den Umständen ihres Schreibprozesses konfrontiert wird. Sie hat journalistische Erfahrungen seit ihrer Jugend. Durch ihre Fähigkeit, ungewöhnliche Träume zu erleben, ist es ihre Aufgabe, diese und die Träume ihres persönlichen Umfeldes weiterzugeben. Daß sie damit ein ausgefülltes Leben führt,  ist eine der Selbstverständlichkeiten der Figur. Ihr Mann Enrico, in Teilzeit und mit gelegentlich intensiver Projektarbeit beschäftigt, unterstützt sie und übernimmt zeitweise die Betreuung der beiden Kinder. Denn dazu gehören die fünfjährige Inge-Katharina und die anderthalbjährige Lena-Nicole.“



September 2002
                                                                      

 Die vorliegende etwas andere Weihnachtsgeschichte ist
den stillen Alltagshelden gewidmet.



Sie wurde verfasst in Saarbrücken


im Dezember 2012



Der Nikolaus zog einen fair gehandelten Schokoladenmann aus seiner Brusttasche. Bevor er die Geschichte von seinem Transporttier, dem Esel, erzählte, war es ihm wichtig, den richtigen Nikolaus mit Stab und weißer Kleidung als Bischof – so wie er auf der Schokolade abgebildet war - an eine der Personen im Kreis zu verteilen. Luciah freute es, hatte sie doch vor kurzem gerade die Homepage ihrer Heimatstadt zum fairen Handel mit Veranstaltungshinweisen aktualisiert.
„Ich habe vor kurzem an einem Seminar über Zukunftsperspektiven und Nachhaltigkeit teilgenommen“, sagte der Heilige Mann. „Auch der Nikolaus muss sich noch fortbilden…und reisen.“ Dies wollte er den Kindern zeigen.  Also hatte er die Nascherei aus fair gehandelter Schokolade mitgebracht. Der im roten Mantel gekleidete Mann sprach davon, dass bei diesen Nahrungsmitteln es schon viele Bioläden und Weltläden überall in den Städten gab, aber das Angebot an entsprechend gehandelten Kleidern noch ziemlich dünn gesät war. Das stimmte, die Leute kauften immer noch schnell und günstig bei C & A ein, während in Bangladesh Nähfabriken aus Verzweiflung und mangelnden Sicherheitsbestimmungen mit vielen Toten niederbrannten. Ein Euro achtzig war der Tageslohn einer Näherin dort. Würde man eine Jeans hier in Deutschland produzierten, würde eine einzige 280 Euro kosten. Kaum zu glauben.
Der Nikolaus an Nikolausabend
mit seinen vielen Geschenken
Der Nikolaus fragte in die Runde: „Wer von Euch ist ein Esel?“ Nur wenige meldeten sich. „Wenn das so ist, kann ich nächstes Jahr nicht mehr kommen…“ „Esel sind wichtig. Sie bringen mich zu Euch. Und manchmal ein Esel zu sein und dabei etwas störrisch zu sein, kann nicht schaden,“ fuhr er fort. Der Transportesel des Nikolauses hatte nämlich anfangs seinen Job bei jedem anderen verweigert, bis eben der Heilige Mann kam. Der Esel wusste um seine Besonderheit und leistete ab sofort brav seine nicht ganz leichte Arbeit, weil der Nikolaus viele Geschenke zu Kindern wie Lena-Nicole und Inge-Katharina zu transportieren hatte. 

Oh ja Geschenke, da leuchteten ihre Kinderaugen. Auch wenn es „nur“ die Vorfreude auf noch größere Aufmerksamkeiten an  Weihnachten waren. So brachte er Unterwäsche, Bettwäsche, Handyhüllen, Weihnachtssterne für ans Fenster und originellen Weihnachtsschmuck sowie hier und da eine gute Gesichtscreme für die Damen oder eine erlesene Flasche Wein für die Herren. Wie gesagt: Esel und Nikolaus hatten einiges zu tragen. Dabei nahm der Nikolaus einen Teil der Last der Menschen auf sich und hielt eine eindringliche Ansprache, die fast einer Weihnachtspredigt in der Kirche gleichkam: „Der Nikolaus hat drei Wünsche mitgebracht,“ räusperte er sich. „Erstens: In dieser Welt müssen Menschen für Menschen da sein, damit niemand allein und einsam ist und man gemeinsam mehr bewerkstelligen kann.“ Der zweite Hinweis ging an die Kinder, dass sie stolz auf ihre Eltern sein sollten. Da diese immer für sie da sind und ein offenes Ohr für ihre Belange hätten. „Familie und das Elternhaus gilt es zu schätzen,“ so seine Botschaft an die zuhörenden Nachkömmlinge der anwesenden Eltern. Gerade für das bevorstehende Weihnachtsfest war das wichtig. Und sonst natürlich auch. Der dritte Wunsch, war das der Mensch Mensch blieb in der Welt und sein „Ich“ leben konnte. Dass er Menschen fand, so wie er war und sich nicht zu verstellen brauchte…

Hinter dem Nikolaus steckte ein Held. Ein einfacher Mensch, der zum Ausdruck brachte, was er fühlte und was die Zeichen der Zeit waren. Er war selbst so erfreut, dass seine Botschaft so gut bei den Kindern und Erwachsenen ankam, dass er beschloss, sie im kommenden Jahr sie wieder zu besuchen. Auch wenn die Kinder ihn lediglich als einen guten Mann betrachteten, der in einem Kostüm steckte. Der wahre Nikolaus kam in der Nacht und füllte die Stiefel, wenn überhaupt. Früher hatten sie noch mehr Ehrfurcht vor dem Mann in der Verkleidung, weil sie ihn für den heiligen Mann aus Myra hielten, wo er bei den Griechen vor 1700 Jahren geboren wurde und dann seine Lebensgeschichte ihren Verlauf nahm und er als reichgeborener Mann viele Wunder bewirken konnte. So bewahrte der echte Nikolaus in einer Geschichte einen armen Vater davor, seine Töchter in die Prostitution zu schicken, in dem er dreimal hintereinander des nachts Goldklumpen durch den offenen Kamin warf, damit der Vater die Mitgift für die Töchter bezahlen konnte und so diese damit verheiratet wurden.
Der Nikolaus war schon etwas Besonderes. Und dass er kam, erfreute die Herzen.


Luciah liebte in diesen trüben Tagen das Fernsehen. Da gab es von allen Castingsshows die beste: The Voice. In Deutschland hieß sie „The Voice of Germany“ und Luciahs Heimat war nur eines von 29 Ländern, in denen die Sendung über den Satelliten lief. 650 Millionen Zuschauer verfolgten den Gesang von Talenten, die zuerst von ihren zukünftigen Coaches nicht gesehen wurden, da diese auf einem umgedrehten Stuhl saßen und auf einen Knopf drücken mussten, wenn sie die Stimme gesanglich gut fanden. Dann erst drehte sich der Stuhl zum Kandidaten und dieser wurde für die insgesamt vier bis fünf Künstler, die auf den Stühlen saßen und beurteilten, sichtbar. Die ganze Show hatte ein witziges Konzept, weil die Künstler um die jungen Talente regelrecht buhlten. „Komm zu mir in mein Team, da bist du am Besten aufgehoben…“, hieß die Devise. Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Konkurrenzkampf unter hervorragenden Künstlern waren angesagt und so machte es den Zuschauern Spaß zuzusehen. Keine überzogenen Eitelkeiten, aber Frozzeleien bei den Kommentaren untereinander, wenn jeder der bereits erfolgreichen Künstler den vermeintlich besten Sänger in seine Gruppe hineinbringen wollte. Die Sendung bekam wie es sein sollte, den deutschen Fernsehpreis und machte den niederländischen Erfinder des Fernsehformats John de Mol zu einem der reichen Männer in Europa.

Luciah gefielen die Künstler gut, wie sie auf ihrem roten Sessel hockten und sich gegeneinander auszuspielen versuchten. Das erschien ihr so menschlich und nicht gekünstelt. Über Facebook und Twitter erhielt sie zusätzlich die neuesten Nachrichten und Fotos von der Kulisse hinter der Bühne. So entstand für die Frau ein fast vollständiges Bild von der Show, die ihr so gut gefiel. Die Künstler, die in ihrer Bescheidenheit, aber mit Siegerwillen, dem besten Sänger im Team, gewinnen wollten und in der breiten Öffentlichkeit standen, waren für Luciah wahre Helden. Sie wirkten niemals arrogant oder aufdringlich. Sie „zogen sich nicht mental für den Zuschauer aus“ um ihn zu locken, sondern waren - so wie sie dachten und fühlten - ehrlich und liebevoll und gewannen damit die Herzen ihrer zuschauenden Fans. Helden. Und viele dieser Helden und Stars, denen es finanziell gut ging, hatten Stiftungen gegründet, waren ihre Schirmherren und sammelten Spendengelder für gute Zwecke. Aber das war nicht alles.

Echte Helden waren auch behinderte oder kranke Menschen, die trotzdem ihr Leben im Griff zu haben schienen.
Letztes Jahr im November hatte ein neuer Film in Frankreich Furore gemacht und innerhalb zwei Wochen drei Millionen Zuschauer in die Kinos gelockt: „Les Intouchables“, oder auf deutsch „Ziemlich beste Freunde“. Der Film, eine lustige Komödie, war echt sehenswert: handelte er von einem vom Hals ab gelähmten Menschen und seinem Pfleger, der sich ihm gegenüber ohne Mitleid und mit viel Witz verhält. Er holt ihn raus aus seinen Alltag und unternimmt viele Abenteuer mit ihm, die der Gelähmte sonst nicht imstande gewesen wäre, zu erleben. Es ist ein ganz und gar ungleiches Paar. Und das macht den Film menschlich. Der Pfleger kommt hinter schwedischen Gardinen hervor und hatte Zeit zur Besinnung. Der andere ist ein reicher Aristokrat, der einseitig zunächst Interesse an der bisher gescheiterten Existenz seines zukünftigen Pflegers nimmt, bis sie sich gegenseitig schätzen lernen und voneinander profitieren. Daraus entstehen Freundschaft, Vorankommen, Zuversicht, Ehen, ein paar Bücher, eine Stiftung und ein hervorragender Film, der die Massen bewegt.
„Sie sind ein Geschenk“, sagt die Reporterin zu Philippe Pozzo di Borgo, dem gelähmten Tetraplegiker, in der ZDF Sendung 37 Grad (Dienstag, 4. Dezember 2012). „Dann binden Sie mir doch ein Band um“, antwortet Philippe. „Wollen Sie mich nicht ernst nehmen?!“, fragt die Reporterin ihr Gegenüber. Genau das kann er nicht. Weil der Aristokrat in seinen Ansichten sehr bescheiden ist. Kein Held sein will, der die Welt rettet. Diesen hält er für einen Witz.
Ein wahrer Held. Gemacht für die Öffentlichkeit, die danach zehren sollte, solche Menschen in ihre Mitte zu rücken. Genau wie seinen Pfleger Abdel Sellou. 

Dann gab es in der Gesellschaft noch viele stille Helden. Helden, die täglich mehr leisteten als andere, die sich mehr abverlangten oder von denen mehr abverlangt wurde. Luciah kannte solche und bewunderte sie im Geheimen. Sie waren so gradlinig, so direkt mit ihrer Hilfsbereitschaft. In ihrer Heimatzeitung wurden jeden Monat drei aus der Region gesucht. Sie kümmerten sich um Flüchtlinge, verlassene Tiere, kranke und einsame Menschen, manchmal auch um den Naturschutz usw. Menschen, die nicht im Rampenlicht standen, aber alles taten, dass die Welt ein menschlicheres Antlitz und besseres Verständnis für die mitmenschlichen Probleme bekam.

Es kam die Nachricht aus Afrika, dass wieder eine neue Schule mit Unterkünften für elternlose oder mittellose Kinder eingeweiht worden war . Shangilia hieß das Gesamtprojekt. Die Schule war mitten in den Slums im kenianischen Nairobi angesiedelt. Luciah erkannte im beigefügten Film einige Schüler und Lehrer, die sie in Deutschland kennengelernt hatte, als mit einer Schülertanzgruppe Spendengelder gesammelt wurden. Auch den stillen Spendern hier oder den unzähligen Helfern vor Ort galt Dank und Achtung. Richtige Alltagshelden waren das. http://www.youtube.com/watch?v=FjgJ6_AE9es

Luciah war sich nicht sicher, wer sie eigentlich war oder sein konnte. Nicht, dass sie einmal in die Kategorie Held oder stille Helden eingeordnet werden wollte. Nein, es war dennoch etwas Seltsames mit ihr, seit sie – vor einigen Jahren – regelmäßig mit dem lieben Gott in einem goldenen Ferrari durch die von ihm gemachte Welt vor. In ihren Träumen versteht sich. Das hatte sie verändert. Sie war nicht mehr so ehrfürchtig Stars und Helden gegenüber, sondern hatte das Gefühl „auf Augenhöhe“ mit ihnen kommunizieren zu können, wenn sie denn mal einen traf. Dies war eigentlich völlig überheblich von ihr, denn Luciah hatte nicht so viel vorzuweisen, wie so viele andere, die sich beispielsweise beruflich profiliert hatten. Warum sie keine Berührungsängste hatte und sich sogar in der Gegenwart von Stars manchmal zu langweilen begann, dann z.B. wenn sie an einer Charity-Veranstaltung teilnahm, wußte sie nicht genau. Mangelte es ihr an Respekt und an Zurückhaltung? Konnte sie den anderen genug schätzen? All diese Fragen stellte sie sich in der Weihnachtszeit. Wo die Geburt Jesu gefeiert wurde. Und damit das unschuldige kleine so berühmte Kind in der Krippe im Stall.
Sie wunderte sich manchmal über die Leute. Vielleicht machten sie sich nicht so viele Gedanken über Luciah und sich. Und das war gut so. Luciah stand auch nicht in der Öffentlichkeit. Die Öffentlichkeit konnte einen vorübergehend hervorheben, aber auch sehr kurzlebig sein. Da musste man aufpassen und festen Boden unter den Füßen haben, wenn jeder meinte, seinen Kommentar abgeben zu müssen.

Wie schön das Leben aber doch sein konnte! Mit Aufgaben. Mit Freunden. Mit Liebe. Mit Fürsorge. Manche hatten in dieser Zeit immer noch kein warmes Dach über dem Kopf. Es galt was zu tun.
Und vielleicht wurde man dann von ganz allein so was wie ein  - stiller - Held.


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