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Aus kleinem Anfang entspringen alle Dinge
Marcus Tullius Cicero
Besonders
gewidmet allen Frauen
mit viel A-Buchstaben im Namen.
mit viel A-Buchstaben im Namen.
Luciah würde wieder in ihr
Einkaufszentrum fahren. Mit einer Geschichte im Gepäck für den ehemaligen
RTL-Bachelor, der am Nachmittag dort eine Veranstaltung moderieren wollte.
Eigentlich hatte sie davon in der
Zwischenzeit Abstand gewonnen und sich als Ersatz ja den 'weißen Elefanten' gekauft, der sie daran erinnerte nicht irgendwelchen C-Promis
hinterherzulaufen. Und dann kam ja noch der Mann in ihr Leben, der diesem Jan
Kralitischka verblüffend ähnlich war. Und bei jedem Aufeinandertreffen ging ihr
Herz besonders auf.
Zeit also loszulassen und Neues zu
beginnen.
Aber Luciah hatte ihre Rechnung ohne
ihre Spiritualität gemacht.
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Die ehemalige Rose vom Bachelor und die Uhr |
Sie hatte bei ihren Einkäufen im Center davor
gelesen, dass genau dieser Bachelor wieder kam. An jenem Morgen frühstückte
Luciah aber noch mit Fleurance. Von dort aus würde ihr Weg später zum Einkaufen
führen.
Fleurance war die erste große Fair
Trade Lady in Deutschland, die zu Ehren kam. Als Frühstücksbotin auf ihrem
Motorrad, die Menschen mit fairen Produkten (Keine Kinderarbeit, Mindestpreise, Sozialprämie und hohe ökologische Standards) in ihrem Zuhause von der guten
Sache überzeugte, wurde sie bekannt.
Luciah hätte also allen Grund gehabt,
sich gründlich auf ein schönes Frühstück vorzubereiten. Und was tat sie? Sie
tat nichts. Sie kaufte nicht ein – auch weil sie erkältet gewesen war - und
bereitete nichts Spezielles vor.
Na ja beinahe nichts. Einmal
wöchentlich legte sie eine frische Tischdecken auf. Auch ein blanker Holztisch war nämlich
ein schöner Anblick. Selbstgekochte Marmelade, Honig und Zimtcreme aus Fairem
Handel, Käse, - am Morgen keine Wurst - Frischgurken und Äpfel von den eigenen Feldern waren
da sowie regionaler Apfelsaft.
„Brotreste musste ich heute morgen wegen
Schimmel entsorgen“, meinte ihr Mann Enrico, der abundzu den Tisch für die Familie
deckte. Er und die Kinder aßen Müsli.
Kein Brot. Als typische Französin
wollte Fleurance Croissants mitbringen. Na ja. Die beiden Brötchen, die sie ursprünglich
für sich beim Bäcker gekauft hatte, legte sie in Luciahs Brotkorb achtsam dazu.
Mittlerweile konnte man bei den
Williams zwischen Margarine und Butter wählen. Oder zwischen Kuhmilch und
Sojamilch und einem Hafermilchdrink.
Aus der Dunkelheit brach ein Licht und erleuchtete meinen Weg
Khalil Gibran
„Du musst es schönmachen“. Gott war
wieder mit seiner Luciah bei ihrer nächtlichen Tour in seinem goldenen Ferrari
unterwegs. Manchmal nahm er sie in ihren Träumen mit. Diesmal war eine Leuchtschrift
ausgehend von ihrem Bungalow auf den Wagentür projieziert, als sie einstieg.
Schon komisch, dachte sie, als sie Gott im Wagen freundlich begrüßte. Wie der
Gruß war, das war heute ihr Geheimnis. Aber so dachte sie sofort, warum spricht
er nicht direkt mit mir über die Schönheit des Tuns, wenn er mir dazu etwas heute
auftragen will. Aber das war ihr Gott. Er hatte seine eigenen Mittel und Wege. Als
kleines Signal hatte er an Luciah vorbeigesehen auf den Projektionsstrahler,
von dem die Schrift kam. Und tatsächlich der hing heute Abend am Haus. Seltsam.
„Du musst es schönmachen…“ War das eine Botschaft für Luciah oder von ihr? Das
war nicht eindeutig.
Sobald es auf die Hauptstraße ging,
spielte Gott ein Lied.
Das war seine Begrüßung. Luciah musste
so lachen. Das war wirklich süß. Aus „Du musst es schön machen“ an der Autotür,
wurde ein „Ich lieb Dich“ geschrieben mit einer Taschenlampe am Himmel. Waren
das nicht wunderbare, verbindende Worte… Aber was würde Luciah heute Abend erleben?
Sie schaute neckisch durch die Scheibe in den Abendhimmel. Sträuße von Kometen?
Wow. Da konnte man sich ja was wünschen?! Was für eine Nacht. Was würde werden?
Ja, sie kannte den Sänger Markus. Als junge Journalistin hatte sie das Glück ihn mal
auf einer Wiese in der Nähe ihres Heimatsenders zu interviewen… Dieser Sänger
hatte seinen ersten Hit…Aber das war lange her. Nun war ja eine neue Zeit. Hier
mit Gott im Ferrari.
„Ich zeige Dir heute, wie man Zahnpasta
selber macht und wir machen einen kleinen veganen Kochkurs“ Gott hatte seine Pläne
und er wurde konkret. Wer es noch nicht wusste…. mit seinem Ferrari konnte man
sekundenschnell in der ganzen Welt sein, wenn er es denn wollte.
Aber sie fuhren nicht weit. Der Ferrari
rollte zum Saarbrücker Staden. Gott suchte keinen Parkplatz. Er fuhr unter
einen Kastanienbaum, der vom Ferrari in der Dunkelheit angestrahlt wurde und irgendwie
magisch wirbelte plötzlich das Herbstlaub um das Auto herum. Der Wind musste
eingesetzt haben, aber keine einzige Kastanie fiel auf den teuren
Schlitten. „Eine Wolke muss ihn wohl umgeben“, dachte Luciah während Gott
gelassen dem Treiben zusah. Er hatte seine Hände vom Lenkrad genommen und ein
paar Gartenhandschuhe aus dem Handschuhfach genommen. Als sich der Wind gelegt
hatte, stieg er aus und begann in den Blättern vorm Auto zu wühlen.
Luciah beobachtete ihn. Zwischen ihnen
herrschte sowas wie stille Übereinkunft. Sie musste ihm nicht folgen, sondern
konnte sein wie sie wollte. Sie begann trotzdem im Handschuhfach nach weiteren Handschuhen
zu suchen. Stattdessen fand sie eine Taschenlampe. Sie öffnete die Tür und
leuchtete Gott, dass er auch neben dem Auto gut ein paar Kastanien finden
konnte. Er steckte sie in seinen großen Mantel mit den breiten Taschen. „Jetzt
haben wir genug“. Luciah hatte keine Angst, jemand könnte aus der Dunkelheit kommen
und beide erkennen. Wer sollte das denn sein?
Dann fuhren sie weiter… Während sie so
fuhren, dachte Luciah umweltbewußt. „Warum sammeln wir diese Baumfrüchte nicht
im Hellen?“ fragte sie Gott. Jetzt lachte Gott. Ach ja, Luciah verstand.
Vielleicht tat Gott das ja auch meistens. Nur mit seiner kleinen Luciah nicht.
Die besuchte er ja nachts, wenn sie träumte. „Es geht also nicht anders für
mich… “, resümierte Luciah die Gedanken und sein Lachen. Gott öffnete weiter seine
Augen und sah sie von der Seite an. Sein kleiner Stern hatte verstanden.
Dann sagte Gott zu ihr: „Ich möchte mit
Dir in Dubai jetzt einen Kochkurs machen.“ Luciah war nicht müde und schon
immer neugierig gewesen, diese Stadt kennenzulernen. Aber für einen Kochkurs
nach Dubai? Nee, nee, das musste nicht sein.
Sie plante schon mit ihren Kindern und
Enrico im kommenden Jahr die Expo 2020 dort zu besuchen. Sie war in Portugal,
in Hannover und in Mailand auf diesen Weltausstellungen gewesen. Für Hannover
hatte sie als Journalistin gearbeitet und besondere Erlebnisse gehabt, die
wegweisend nach Dubai führten. Aber nur zum Kochen dorthin? Lieber nicht! Sie
war immer mit Gott in seinen Träumen mitgereist. Hatte sich überraschen lassen
und war begeistert. Im Jahr 2019 – nach 17 Jahren mit ihm im goldenen Ferrari -
sagte sie zum ersten Mal nein. Und das hatte seine Gründe.
Gott hatte der Menschheit die sozialen
Media u.a. Instagram gebracht. „Was für eine Wohltat,“ fand die Frau mittleren
Alters. Man konnte im Morgenrock von Istanbul nach Kapstadt zurück nach Dubai
und Bali und dann noch nach Australien und Neuseeland mitreisen. Das
Bettenmachen im Williamschen Bungalow am Morgen war beispielsweise überlagert von den Bildern
der Seelöwen, die am Pier 39 in San Francisco gestrandet waren. The world wide
web was calling - everywhere.
Sie fanden eine lauschige Hütte mit
angrenzendem Vereinsraum mitten im Wald. Es konnte sein, dass auf dem Weg
dorthin die Ferrari-Räder schmutzig werden würden. Aber MeinGott…es war sein
Ferrari..noch irgendwelche Fragen?
Bereitstanden auf dem kleinen Tisch in
der Küchenecke
Birkenzucker (Xylit), Natron und Bentonit
Heilerde mit einem kleinen Aufkleber „aus der Apotheke“ und ein Glas. In einer
kleinen Yin- und Yangdose lag etwas Zimt und getrocknete Minze für den
jeweiligen Geschmack.
Luciah, die diese Location von einigen
Feiern her kannte und heute Nacht vorgeschlagen hatte, wurde aktiv. Nachdem
Gott anfing, Kastanien zu schälen, tat sie es ihm nach. Einer griff in die
rechte Tasche, der andere in die linke. Der Standmixer, der für leckere Smoothies
sonst bereitstand, zerkleinerte die schalenlosen Früchte. „Sie werden für eineinhalb Tage
getrocknet“, erklärte Gott ganz menschlich. Luciah runzelte die Stirn. Wie
sollte das gehen? „Na ja“, erklärte Gott seinem Schützling. „Du nimmst sie mit
und stellst sie in einer Kuchenform auf die Heizung und mischst sie immer mal
wieder dort oder legst sie an eine andere warme Stelle auf einem Stück Papier.“
Aber weil der Ferrari jenseits von Zeit und Raum war, stiegen beide wieder ein – diesmal ohne Licht und ohne Geräusch. Es war warm im Auto und die Frau drehte auf ihrem Schoß die neuen Kostbarkeiten
immer wieder. Zurück im Vereinshaus mixte Luciah auf Anleitung die
Kastanien in ein ganz feines Pulver. Gott mischte alle Zutaten zu gleichen
Teilen. Dann war das Zahnpulver fertig und konnte ins Glas gefüllt werden.
Als Luciah am Morgen in ihr Badezimmer
ging, fand sie das Glas neben dem Waschbecken. Ein lächender Smiley mit
blitzblanken Zähnen und zwinkendem Auge war daraufgeklebt. Die Yin-Yangdose
stand daneben. Optionen. Auch die Zahnpastatube lag noch da. Aber wer würde nach
so einer Nacht noch herkömmlich putzen??? Luciah drehte das Glas in ihrer Hand,
um es liebevoll zu begutachten. „Du und ich, wir wären beinahe in Dubai gewesen…“,
dachte sie. Dann nahm sie etwas Pulver auf ihre Zahnbürste und startete in
ihren Alltag.
Fleurance kam also frühstücken. „Wir
beschäftigen uns nun schon lange mit Nachhaltigkeit“, sagte die Dame im
Gespräch. „Und es bedeutet Verzicht…Luciah widersprach ihr nicht. Aber nicht,
wie man es bisher interpretiert, dachte Luciah ihren Träumen nachhängend. Nicht
als Verzicht auf etwas, was man braucht. Das hatte Luciah vergangene Nacht
gelernt.
Fleurance Laroppe, 2010
***
Teil II
Gaukler
Luciahs
Phantasie. Mittags im Einkaufscentrum konnten frau und mann sich verschönern
lassen. Make-Up. Frisurstyling. Nageldesign.
Nur wenige
fanden den Weg an die Showbühne an einem Arbeitstag, an dem das Center sein 40.
Bestehensjubiläum feierte. Auch die beiden Moderatoren hatten wenig zu tun und
ließen sich selbst etwas aufpeppen. Ihr Moderationsdialog zum Thema
„Persönliches Styling“ fand nur wenig Anklang. Luciah, die zwischendurch
Besorgungen machte, sah die gutbesuchte Eiscafe-Area oder Bäckereizone. Die
Menschen waren auf "großen" persönlichen Genuß mittlerweile aus. Ein
vergangener RTL-Bachelor, der neben diesem Job gerne Anwalt, Model und
Handwerker war, interessierte wenig, wenn dann nur mal vereinzelt für ein Foto
mit einer flotten Vierzigjährigen. Vielleicht fand man heutzutage auch alles im
Internet, wo dieser Bachelor ungern Präsenz zeigte.
Jan Kralitschka, Model und RTL-Bachelor 2013
|
Luciah
hatte bis zum Schluß gewartet bis sie Jan Kralitschka ansprach.
„Hallo,
Jan.“ Er umarmte sie großherzig.
„Hallo, ich
hab Dich schon gesehen,“ sagte er lächelnd. Luciah hatte ihn in den letzten
fünf Jahren öfters auf Veranstaltungen kurz gesprochen. So kannte er sie.
„Schreibst
Du noch Geschichten?“
„Ja.“
„Ich kenn
einen Anwalt, der hat seinen ersten Roman „Achtsam morden“ witzig geschrieben
hat…einen Beststeller.“
„Ja.“
„Von dem
kann er leben.“ Jan sprach das Thema Achtsamkeit, das in Luciahs Texten wichtig
war, das Autorendasein und seinen Erfolg an.
„Wenn ein
Buch Humor hat und dazu noch ein Krimi ist, ist ja auch spannend…“ konstatierte
die sich auskennende Frau.
Luciah
schrieb keine Krimis. Ihre Geschichten waren Phantasiereisen für kleine und große
Kinder, die bereit waren auch mal neue Antworten auf das Leben zu suchen.
„Aber ich
schreibe ja darüber, was mir begegnet“, gab die Autorin ihm gegenüber zurück.
Auch wenn Luciah häufig die Umstände etwas zum Guten und auch zum Schutze aller
etwas veränderte.
Eigentlich
wollte sie niemanden verletzen. Nur Liebe geben. Nur zeigen, was sie so erlebte
in ihrer Welt. Und mit wem sie das konnte.
Es hatte
lange gedauert bis sie auch ihre intensiven Gespräche mit ihrem Gott weitergab.
‚Hallo?‘ ‚Antwortet da jemand?‘ ‚Zeigt sich da jemand?‘ waren ja berechtigte
Gedanken dabei. Als gläubige Christin, die sich mit anderen Religionen
auskannte, hatte sie lange überlegt, überhaupt etwas davon mitzuteilen.
Luciah
packte für Jan den großen Umschlag mit der mitgebrachten Geschichte aus.
„Kann man
die auch lesen?“, fragte er zurückhaltend. Es war eine von Luciahs Geschichte,
die beide verband. Die Autorin zögerte. Niemand erkannte ja sofort den Inhalt
des DINA4-Paketes. Und es ging um Demut im Text. Und deren Geschenke. „So vorm
Kamin am Sonntag?“, hakte Jan nach. Luciah nickte. „Ganz bestimmt.“
„Ich habe
eine Zen-Meisterin, die heißt Sandy. Ich zitiere sie darin.“
„Wie eine
ZEN-Meisterin, die SANdy heißt?“. Jan ließ sich das auf den Lippen zergehen.
Ach, der Mann fing jetzt ja auch an, Spirituelles zu verstehen.
„Ja, so hat
sie sich mir vorgestellt und wir treffen uns manchmal auf der Frankfurter
Buchmesse“, antwortete Luciah korrekt.
Die Zweifel
waren ausgeräumt. Jan bedankte sich für das Geschenk. (Anmerkung. Der
Text heißt: Weihnachtsdinner mit einem Bachelor)
Dann
sprachen sie beide noch etwas über die wenigen Besucher beim Event und seine
Haltung gegenüber den sozialen Medien, die heutzutage die mediale Aufmerksamkeit
und die Reichweite erzeugen. Eine junge Center-Managerin, die Luciah eingeladen
hatte, zum Gespräch mitzugehen und zuzuhören, hörte interessiert zu. So war
Luciah.
Ihre
Erlebnisse waren nicht für sie alleine reserviert. Ihre Töchter waren bereits
mit ihren eigenen Aktivitäten sehr eingespannt. Die jüngste war überhaupt keine
Shopping-Queen. Sie ging lieber auf den Flohmarkt, um Dinge zu verkaufen.
Luciah hatte früher gerne gehandwerkelt manchmal mit Sachen, die sie günstig
auf dem Flohmarkt dagegen fand. Das verband sie ebenfalls mit diesem Bachelor
Jan, der gerne zuhause auf seiner selbstgebauten Terrasse saß. (Text: „Luciah
renoviert“)
Heute
achtete sie manchmal sehr darauf, dass ihre Geschichten schön gestaltet waren
und mit kleinen Geschenken bestückt waren. Und sie bewunderte ihren Mann
Enrico. Wie er manchmal in der Küche stand und ein Mahl zauberte, sogar danach
gewissenhaft aufräumte. Die großen Schüsseln säuberte. Wie er gelernt hatte,
neben seiner Projektarbeit den Garten zu pflegen und sich jetzt nach beinahe
zwanzig Jahren an die erneute Innenrenovierung des Hauses machte.
Jan
verabschiedete sich. Umarmend.
Anstatt
nach Hause zu fahren, bummelte Luciah alleine durchs Center. In der
Buchhandlung fand sie das besagte Buch. „Ach, nee, nicht mein Genre“, stellte
Luciah fest. Da gefielen ihr andere Bücher einfach besser.